„Es geht um Respekt!“

Das Mädchen kniet auf dem Asphalt vor dem Haus Bahnhofstraße 12. Mit einem kleinen Spülschwamm reibt sie über den Stein, der im Bürgersteig eingelassen ist. „Nimm am besten die raue Seite!“, rät ihr die Frau, welche die Gruppe begleitet. Kleine, kreisförmige Bewegungen säubern den Stein, sorgfältig, fast liebevoll. Ihre Freundin bückt sich, sie hat ein weiches Tuch in der Hand und wischt die letzten Reste des Putzmittels ab. Poliert den Stein, bis er wieder glänzt.

Die Jugendlichen, die sich im Kreis versammelt haben, lesen vor: „Hier wohnte Daniel Levi.“ Und dann kommt ein Wort, das für sie schwer ist: „deportiert“.
Dieter Oelke erklärt den Begriff. Er hat mit seiner Frau Ursula dazu eingeladen, gemeinsam die Stolpersteine in Bad Camberg zu putzen. Gegen das Vergessen. Die Jugendlichen schauen ihn immer wieder fragend an. Die Wörter, die Oelke verwendet, sind für sie schwere Kost: Deportation, Gaskammer, Heilanstalt. Die Jugendlichen sind keine Muttersprachler, sie besuchen die Intensivklassen der Taunusschule und kommen aus unterschiedlichsten Ländern: Ukraine, Georgien, Albanien, Pakistan. Deutschlehrerin Myriam Rompel erklärt die Vokabeln. Oelke versucht eine Einordnung in die deutsche Geschichte, knapp, runtergebrochen auf wenige Fakten. Die Schülerinnen und Schüler bringen wenig Wissen über das Dritte Reich mit, hinzu kommt die Sprachbarriere. Immer wieder fragen sie nach, können nicht verstehen, können nicht glauben, was sie da hören. Die Erwachsenen erklären: Judenverfolgung, Deportation in Konzentrationslager, Tötung in Gaskammern.
Was bringt das überhaupt, die Stolpersteine zu putzen, fragt die Lehrerin. Denn schon nach wenigen Tagen setzen sich wieder Straßenstaub und Dreck auf den Steinen fest, die Messingoberfläche oxidiert. In einer Woche sieht der Stein wieder so aus wie vorher. Ein Junge, dem heute klar geworden ist, dass „das mit Hitler“ in Deutschland war, sagt: „Es geht um Respekt!“ (Text und Fotos: Myriam Rompel)

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