Interview mit Pfarrerin Bandur zum Projekttag Reformation

Frau Pfarrerin Bandur, am 30.10. fand an der Taunusschule der Projekttag zum 500. Reformationsjubiläum statt. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Ein Projekttag zum Reformationsjubiläum, an dem das gesamte Kollegium sich engagiert eingebracht hat, ist keine Selbstverständlichkeit – darüber freue ich mich sehr und danke allen Kolleginnen und Kollegen für Ihren Einsatz. Das Thema Reformation ist sehr vielschichtig, eigentlich müsste man genauer von „reformatorischen Bewegungen“ sprechen. In 39 Projekten wurden zahlreiche Aspekte aufgegriffen und aus verschiedenen Perspektiven mit ganz unterschiedlichen Methoden betrachtet und bearbeitet. Mich hat die Vielfalt der Angebote und die Kreativität der Kollegen sehr beeindruckt. Dass wir den Schülern ein interessantes und ansprechendes Angebot präsentiert haben, zeigt sich auch daran, dass alle Projekte gewählt und – bis auf ein Projekt, das krankheitsbedingt ausfallen musste – auch tatsächlich durchgeführt wurden

Dieser Projekttag lässt mich zuversichtlich und mit Freude auf die kommende Projektwoche blicken. Ich finde es bemerkenswert, was in jahrgangsübergreifenden Gruppen entstehen kann und freue mich, dass am Tag der offenen Tür interessante Ergebnisse präsentiert werden können.

Hatten Sie gestern die Gelegenheit, Gespräche mit Beteiligten zu führen? Wie fallen die ersten Rückmeldungen durch Schüler und Kollegen aus?

Die Atmosphäre an der Schule ist an solch einem Projekttag eine ganz andere als im normalen Schulalltag. Ich habe u.a. Schüler gesehen, die ein Theaterstück einübten und ganz in ihren Rollen versunken waren und durfte anderen über die Schulter schauen, die sich in Kalligraphie geübt haben. (An diesem Projekt hätte ich auch gern teilgenommen – vielleicht wären dann meine Tafelbilder besser lesbar…). Es herrschte – so habe ich es jedenfalls empfunden – eine lockere Stimmung. Mal ohne Leistungsdruck an einem Thema zu arbeiten, etwas auszuprobieren, ohne gleich bewertet zu werden, das ist sowohl für Schüler als auch für Lehrer eine wohltuende Abwechslung im sonst oft stressigen Schulalltag.

Bis jetzt gab es viele positive Stimmen, weil es mal was anderes war. Ich habe den Eindruck, es hat vielen Schülern und auch den Kollegen Spaß gemacht. Aber natürlich gab es auch manches, was nicht so gut lief. Schüler waren enttäuscht, weil sie einem Projekt zugeteilt waren, das sie überhaupt nicht gewählt hatten oder in dem keiner war, den sie kannten. Ich bin gespannt auf weitere Rückmeldungen der Kollegen, damit wir daraus für die Vorbereitung der Projektwoche am Ende des Schuljahres lernen können. Da können wir noch einiges verbessern.

So ein Tag bedarf sicherlich einer intensiven Vorbereitung? Welche Herausforderungen stellten Sie dabei ganz besonders auf die Probe?

Ein Projekttag ist eine große Chance. Lehrer können mal anders arbeiten, Schüler können sich mit einem Thema beschäftigen, das sie sich selbst aussuchen konnten, Schüler und Lehrer lernen sich in einem anderen Rahmen kennen, „Große“ helfen „Kleinen“ und können auch von „Kleinen“ lernen. Aber das bedeutet natürlich auch: so ein Projekttag ist für alle Kollegen ein enormer zusätzlicher Aufwand neben dem alltäglichen Schulgeschehen. Eine Herausforderung war daher, den Kollegen mit Terminen, Fristen und E-Mails nicht auf die Nerven zu gehen und trotzdem immer alle nötigen Informationen und Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, um weiter planen zu können. So ein Projekttag ist nur im Team zu stemmen und ich danke dem Vorbereitungsteam für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung. Jeder hat mitgedacht und angepackt.

Was können wir – besonders unsere Schüler – 500 Jahre nach dem Anschlag der 95 Thesen noch von Luther lernen? Und was bedeutet das Lutherjahr für Sie persönlich?

Es gab in den letzten Monaten eine Flut von Zeitungsartikeln über Luther, Fernsehsendungen, kulturelle Angebote – die Vielfalt und das kritische Hinterfragen fand ich sehr anregend.
Mir sind in diesem Jahr mehrere Punkte wichtig geworden, ich will hier nur zwei nennen:

  1. Das Reformationsjubiläum steht unter dem Motto: Gott neu entdecken. Luther lebte lange in der ständigen Angst vor Gott. Die Verzweiflung, nicht gut genug zu sein, Gott nicht zu genügen, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen, bis er in der Bibel auf den „gnädigen“ Gott stieß und damit Gott für sich „neu“ entdeckte.
    Angst vor Gott ist uns heute eher fremd. Viele Zeitgenossen bezweifeln, dass es überhaupt einen Gott gibt. Aber die Angst, nicht gut genug zu sein oder zu versagen ist nach wie vor präsent. Als Pfarrerin und Religionslehrerin fühle ich mich herausgefordert, in dieser Zeit so von Gott zu sprechen, dass Schüler ihn als Orientierung und Halt für ihr Leben „entdecken“ können.
  2. Von Luther ist der Satz überliefert: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Ob er ihn tatsächlich so gesagt hat, mag dahingestellt sein. Aber Luther ist für seine Erkenntnis und Überzeugung eingetreten und hat dafür gekämpft. Er hat die Auseinandersetzung und den Disput gesucht und um Wahrheit gerungen.

Diese Klarheit, sich seinem Gewissen verpflichtet zu fühlen und für etwas einzustehen mit allen Konsequenzen, bewundere ich sehr.

Ich hoffe, dass der Projekttag zum Reformationsjubiläum dazu beigetragen hat, Schülern die Bedeutung der Reformation für unsere Geschichte und den Einfluss Luthers auf den Glauben und die Entwicklung der Kirche auf interessante Weise näherzubringen. Deshalb nochmal ein ganz herzliches Dankeschön an das Vorbereitungsteam für die gute Zusammenarbeit und an alle Kollegn, die durch ihr Engagement diesen besonderen Tag an der Taunusschule ermöglicht haben.

Frau Pfarrerin Bandur, wir danken Ihnen für das Gespräch.

(Das Interview führte Eric Stohr. Foto: Ch. Rohde)

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